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Showdown der Schwergutlogistik für Petrochemie

 

22. Dezember 2020 | Markus Lackner

Die geballte Kraft der Schwergutlogistik brachten Felbermayr und seine Tochterunternehmen Bau-Trans und Haeger & Schmidt kürzlich für Ungarns größten Konzern zum Einsatz. Dabei wurden rund 100 Komponenten im dualen Verkehr durch ganz Europa nach Tiszaújváros nordöstlich von Budapest transportiert. Mitte Mai konnte der Auftrag mit Stückgewichten von bis zu 400 Tonnen beendet werden.

Etwa 170 Kilometer nordöstlich von Budapest errichtet der ungarische Öl- und Gaskonzern MOL ein Werk für Vorprodukte in der Kunststoffherstellung – eine Polyolanlage. „Für uns ist das ein Leuchtturmprojekt, in dem wir nahezu unser gesamtes Portfolio der Schwergutlogistik einsetzen können“, freut sich Peter Stöttinger. Als Geschäftsführer der Felbermayr Transport- und Hebetechnik hat er sich auch maßgeblich für das Gelingen des Auftrags eingesetzt: „Zusammen mit unserem Auftraggeber, der Projektabteilung der Schenker Deutschland AG, habe ich vor etwa drei  Jahren mit der Entwicklung eines Logistikkonzeptes für die Petrochemie-Anlage begonnen.“ Da das Werk unweit des 20.000 Einwohnerstädtchens Tiszaújváros „auf der grünen Wiese“ gebaut wird, galt es zunächst, die nötige Infrastruktur zu planen. Dazu gehörten die Errichtung eines Schwerlastanlegers an der Theiss für die Binnenschiffe. Weiters musste eine rund 1.000 Meter lange Behelfsstraße vom Umschlagplatz bis zur nächsten öffentlichen Straße errichtet werden. Von dort waren es dann noch etwa acht Kilometer bis zum 56 Fußballfelder großen Werksgelände.

Binnenschifffahrt und Schwergutterminal Linz

Die Ausgangsorte für die Oversized-Cargos waren vorwiegend in Belgien und Italien. „Jene von Belgien wurden beispielsweise durch unser Tochterunternehmen Haeger & Schmidt mittels Binnenschiff transportiert“, sagt Stöttinger und erklärt, dass diese Transporte über das belgische Kanalsystem, über Rhein, Main-Donaukanal und Donau meist bis zum Felbermayr Schwergutterminal in Linz transportiert worden seien. Dort folgte nötigenfalls eine Zwischenlagerung zur Optimierung der Logistikketten. So zum Beispiel für eine Kolonne mit ca.30  Metern Länge, bei einem Durchmesser von ca. 8 Metern. Diese ca. 200 Tonnen schwere Komponente gelangte, nach einem Zwischenstopp in Linz, auf dem unternehmenseigenen Lastdrager 30 (RoRo-fähiger Schwergutleichter) auf der Donau bis zur Theissmündung nahe der Ortschaft Titel in Serbien. Ein Umweg, könnte man meinen. Doch ein Umschlag von der Donau auf die Straße in Budapest war keine Alternative für den weiteren Transport bis Tiszaújváros – aufgrund der Dimensionen dieser Kolonne wäre ein Transport auf der Straße technisch nicht möglich gewesen. Die Zielhäfen der Komponenten mussten also entsprechend ihrer Dimensionen gewählt werden. „Straßentaugliche Transporte“ wurden in den ungarischen Donauhäfen in Gönyű und Budapest auf Tieflader umgeschlagen und direkt zur Baustelle transportiert. Das waren rund 25 Spezialtransporte. Diese wurden teils in Konvois bis zu fünf Fahrzeugen gefahren und erreichten ihr Ziel in Tiszaújváros nach mehreren Nachtetappen. Komponenten, welche von Italien angeliefert wurden, fanden ihren Weg über den rumänischen Schwarzmeerhafen Konstanza. Via Donau und Theiss ging es weiter bis zum Umschlagplatz in Tiszaújváros.

Raupenkran mit 1.000 Tonnen Einsatzgewicht

Jene Transporte, welche auf dem Wasserweg die Baustelle erreichten, wurden für den Nachlauf nochmals umgeschlagen. Um die Hübe mit den mehrere hundert Tonnen schweren Stahlgiganten gewährleisten zu können, wurde ein LR 1750 mit Haupt- und Derrickausleger sowie Ballastwagen eingesetzt. „So ausgestattet brachte es der Raupenkran auf ein Einsatzgewicht von rund 1.000 Tonnen“, beschreibt Stöttinger. Dadurch entstehen enorme Drücke, die in den Untergrund abgeleitet werden müssen. Eine Tatsache, die auch bei der Errichtung der Kranstellfläche bedacht wurde.

Selbstfahrer, Kesselbrücke und Semitieflader für letzte Meile

Mit dem Erreichen des temporär eingerichteten Hafens in Tiszaújváros war vieles geschafft, das Ziel aber noch nicht erreicht. Für die sprichwörtliche letzte Meile war noch einmal Klotzen statt Kleckern angesagt. So waren für die Zustellungen zwei Selbstfahrer mit jeweils 18 Achslinien und 500 Pferdestärken vor Ort. Für leichtere Komponenten bis etwa 100 Tonnen kamen Sattelzugmaschinen mit Semitiefladern und Kesselbrücken zum Einsatz. „Den Abschluss der Schwertransporte Mitte Mai machten drei Ausrüstungen  mit jeweils mehreren 100 Tonnen  Einzelgewicht“, nennt Stöttinger noch ein Highlight. Für diese Stahlkolosse musste auf dem Weg zum Werk noch eine Brücke statisch berechnet und abgestützt werden.

Doch dann war es geschafft – rund 100 Schwertransporte wurden in etwa fünf Monaten erfolgreich durch Europa gefahren. Trotz Niedrigwasser auf den Binnengewässern und einer Pandemie mit Grenzsperren konnte durch engagierte Mitarbeiter und einer bestmöglichen Personalplanung das Projekt zeitgerecht abgeschlossen werden. Dazu Stöttinger: „Es war eine logistische Herausforderung. Mit den Mitarbeitern von Bau-Trans Ungarn, welche die Spezialtransporte auf der Straße inklusive Genehmigungsprozedere und die Baustellenkoordination vor Ort gewährleisteten, und den Spezialisten für Binnenschifffahrt von Haeger & Schmidt haben wir qualitätsvolle Zusammenarbeit bewiesen.“ Damit wurde die petrochemische Anlage ihrer geplanten Fertigstellung im kommenden Jahr ein großes Stück näher gebracht.

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